MEET THE ARTIST | ALINA BAER
FINE LINE TATTOOS & ILLUSTRATIONS
FÜR TÄTOWIERERIN ALINA IST DAS
STECHEN WIE MEDITATION.
Alina Baer von KODIAK Tattoo liebt ihren Job. Die Besitzerin zweier eigener Studios in Hamburg kann beim Tätowieren total abschalten und alles um sich herum vergessen. Im Interview erzählt sie uns mehr zu ihrem Alltag als Tattoo-Artist, kuriosen Kundenanfragen und ihrem einzigartigen Style.
„Das Gefühl, wenn der Kunde dasteht und anfängt zu weinen, weil das Motiv so eine große Bedeutung für ihn hat oder ihm so gut gefällt, ist einfach unbeschreiblich.“
- Alina Baer
- Gründerin Kodiak Tattoo
Was warst du in deinem Leben vor dem Tätowieren und wie bist du zum Tätowieren gekommen?
Vor dem Tätowieren habe ich Grafikdesign studiert und dann als Grafikerin frei gearbeitet. Man kann sagen, dass mich meine Freunde zum Tätowieren „getrieben“ haben. Anfangs habe ich mich ein bisschen dagegen gewehrt, weil die Verantwortung so groß ist. Jetzt mache ich das schon seit circa vier Jahren.
Wie hast du das Tätowieren gelernt?
Ich habe es mir selber beigebracht, es also autodidaktisch gelernt. Das würde ich so eigentlich nicht unterstützen, weil es immer besser ist, jemanden an der Hand zu haben, der einem alles zeigt. Vor allem in puncto Hygiene!
Erinnerst du dich noch an das Gefühl, als du zum ersten Mal gestochen hast?
Ja, ich war richtig aufgeregt beim ersten Mal.
Ich habe normalerweise eine echt ruhige Hand, aber da hat sie richtig gezittert. Das wurde noch unterstützt von dem Laufen der Maschine – ich musste die Maschine dann erstmal zur Seite legen. Meine Freundin, die ich tätowieren sollte, hat mich aber beruhigt und meinte „Alina, wer, wenn nicht du?!“. Ich saß da und habe Blut und Wasser geschwitzt, weil ich es so krass fand, dass sie das für immer auf der Haut haben würde und ich ehrlich gesagt keine Ahnung hatte, was ich da eigentlich mache.
Beschreibe deinen Style mit drei Worten! Hast du ihn gefunden oder hat er dich gefunden?
Mein Stil in drei Worten: fein, illustrativ, detailreich.
Ich habe – wahrscheinlich auch aus Trendgründen – mit eher grafischen Sachen, vor allem Mandalas, angefangen. Das war einfach die Zeit, in der das im Rennen war. Dementsprechend gab es dazu auch viele Aufträge. Irgendwann war mir das aber zu langweilig und zu konzipiert. Bei Blumen beispielsweise, die ich jetzt oft steche, kann man die Motive sehr schön an den Körper anpassen. Also da kann man viel besser freihändig arbeiten und das Motiv an die Rundungen des Kunden anpassen.
Woher bekommst du Inspiration für deine Kunst?
Ich glaube, Inspiration bekommt man von überall her. Wenn man die Augen offenhält, sieht man Formen, Farben, Blumen, Blüten und so weiter. Mein Motto: Augen auf und mitnehmen, was da ist!
Würdet du etwas stechen, das du selber hässlich findest?
Ich finde es viel einfacher, wenn ich ein Motiv auch selber schön finde, weil ich dann auch weiß, wie ich es perfekt ausbauen kann. Wenn ich es nicht schön fände, dann wüsste ich gar nicht, wie lange ich beim Stechen weiter machen müsste, bis es wirklich rund ist. Wenn es aber Motive sind, hinter denen ich stehe, dann weiß ich was fehlt und dann kann ich da einfach ein ganz anderes Endprodukt abliefern.
Ist ein Tattoo Teamwork zwischen dem Kunden und dir?
Klar, der Kunde kommt und zeigt mir seine Idee, weil er denkt, dass die Idee zu mir und meinem Stil passt und fragt, ob wir zusammenarbeiten wollen. Der Kunde liefert also die Idee, wenn es ein „Custom-made Tattoo“, also ein auf den Kunden zugeschnittenes Tattoo, ist. Je präziser der Kunde sagt, was er will, desto präziser kann ich darauf hinarbeiten und natürlich kann ich auch meine eigenen Vorstellungen einfließen lassen.
Welches Motiv, das du gestochen hast, wirst du niemals vergessen und warum?
Ich hatte früher zuhause eine eigene kleine Tattooecke, die vom Rest meiner Wohnung getrennt war. Da kamen dann auch Kunden vorbei, die ich vorher nicht kannte. Eines Tages hatte ich eine Anfrage für ein Messer, das eigentlich am Unterarm landen sollte. Als der Kunde dann kam, meinte er, dass er es sich anders überlegt hätte und das Messer an der Leiste aus der Hose rausgucken sollte. Das war schon ein bisschen weird, beruflich jemanden bei sich zuhause liegen zu haben, der sich untenrum frei macht.
Welche Körperstelle ist am schwierigsten zu tätowieren?
Ich hasse den Rücken. Sogar noch mehr als die Rippen. Rücken und Nacken machen mich echt wahnsinnig. Man kommt nicht gut dran, die Poren sind riesig, man schwitzt, der Stencil hält nicht richtig: Es ist einfach die Hölle und macht gar keinen Spaß – weil man die ganze Zeit darauf konzentriert ist, das Motiv so schnell wie möglich fertig zu kriegen. Da kann ich dann auch nicht so richtig darin aufgehen und es fühlt sich echt nach körperlicher Anstrengung an.
Wie lange hat deine längste Tattoo-Session gedauert?
Meine längste Session war mit einer Kollegin zusammen, ich habe sie tätowiert. Dadurch, dass wir unfassbar viel geschnackt haben, haben wir echt lange gebraucht – und am Ende so zwölf Stunden zusammengesessen.
Was liebst du am Tätowieren am meisten?
Ich glaube, es ist ein Zwischenspiel zwischen der Reaktion des Kunden und dem eigenen Wohlbefinden. Denn wenn ich anfange zu tätowieren, ist das meditativ für mich. Ich bin total ruhig dabei und spreche auch nicht gern beim Stechen, weil ich einfach so tief eintauche und mich das extrem entspannt.
Wenn ich dann aufhöre und der Kunde vor den Spiegel tritt und lächelt – und teilweise sogar weint, weil die Bedeutung für ihn so groß ist oder ihm das Motiv so gut gefällt, dann ist das unbeschreiblich. Das ist einfach super emotional – schließlich gibt man dem Kunden etwas mit, das er für immer tragen wird.
Was ist deine persönliche Skin Story?
Ich habe eigentlich keine Tattoos mit Bedeutung. Das einzige, das wirklich eine hat, ist das kleine am Finger. Das ist ein Partnertattoo mit meiner Schwester. Sie hat meinen Namen, ich hab ihren Namen, jeweils in Morseschrift. Das ist das Tattoo, das mir am meisten am Herzen liegt, auch wenn es das kleinste ist.
Wie machst du Tätowieren besser und sicherer?
Ich fänd’s super, wenn das Tätowieren endlich ein Ausbildungsberuf wäre. Ich weiß, dass viele das anders sehen. Und ich habe mir das Tätowieren ja auch selbst beigebracht. Leider sehe ich zurzeit einen Trend hin zum „Couch-Tätowierer“ gibt. Die Qualität wird dadurch nicht besser, vor allem die Hygiene … Wenn das Tattoo später „nur“ schlecht gestochen ist, ist das schade – wenn wirklich etwas dabei passiert, weil nicht hygienisch gearbeitet wurde, ist das echt richtig kacke. Das ist eine riesige Verantwortung, und das geht leider unter.
Wenn du nur noch einmal tätowieren könntest – was und wen würdest du tätowieren?Ich hoffe ganz stark, dass ich niemals in die Situation komme, das entscheiden zu müssen. Denn ich würde am liebsten solange tätowieren, bis ich umfalle.
Fein, illustrativ und voller Details: Das sind Alina Baers Arbeiten.
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